Jean Rollins Vampire

Informationen

OT:Le Deux Orphelines Vampires

ca.103 Minuten

Frankreich 1995

Regie

  • Jean Rollin
Darsteller

  • Isabelle Teboul
  • Alexandra Pic
  • Brigitte Lahaie
  • u.a.

Jean Rollins Vampire

Story

Die beiden jugendlichen Waisen Henriette und Louise sind der ganze Stolz der Schwester Oberin des katholischen Waisenhauses. Mit besonderer Fürsorge kümmert sie sich um die beiden bildhübschen Mädchen, denn schließlich sind sie blind und scheinbar völlig hilflos. Doch ist dieses nur tagsüber der Fall. Des nachts nehmen die beiden Mädchen als Vampire ihre Umwelt in blauem Farbton war und können sich somit unbeschwert bewegen, die am Tage für sie verborgene Schönheit der Umgebung, vornehmlich Friedhöfen, genießen und natürlich ihren Blutdurst stillen. Auf ihren Reisen durch die Dunkelheit begegnen sie dabei verschiedenen Kreaturen der Nacht und philosophieren über ihre eigene Herkunft und ihre Daseinsfunktion im Universum.

Als sie von einem Augenarzt zur näheren Untersuchung in dessen Haus einquartiert werden und dieser kurze Zeit später für einige Tage verreist, erfahren sie neue Art von Freiheit, da sie ihre nächtlichen Ausflüge ausdehnen können. Da sie die nun liebgewonnene Selbstständigkeit nicht ohne weiteres wieder hergeben wollen, kommt es bei der Rückkehr des Arztes zu einer Katastrophe…

Kritik

Der Vorspann mit seinen mittelalterlich Gemälden und sinnlich schönen, dennoch düsteren Musik, weckt sicherlich sofort die Neugier eines jeden, v.a. vampiristisch angehauchten Horror-Fans, und lässt, angesichts des für seine Vampirotik-Filme bekannten Regisseurs Jean Rollin einen Gothic-Vampir-Film mit reichlich Sex und Gewalt erwarten. Doch weit gefehlt:

Bei TWO VAMPIRE ORPHANS handelt es sich weniger um einen Grusel- oder Horrorfilm, als vielmehr um ein melancholisches Drama, bei dem das Motiv der Dualität des Vampirlebens sehr interessant und innovativ abgewandelt wird. Beschränkte sich das Dasein von Vampiren in bisherigen Verfilmungen aufgrund der Unverträglichkeit von Sonnenlicht auf ein Leben in der Nacht, so geben die beiden hier dargestellten Vampir-Waisen dem oftmals in Bezug auf den Vampir verwendeten Begriff „Geschöpf der Dunkelheit“ eine völlig neue Bedeutung: Die beiden Titelfiguren existieren ganztägig jedoch stets nur in Dunkelheit. Tagsüber aufgrund von Blindheit (Dunkelheit) in ihrem Dasein beeinträchtigt, können sich die beiden Vampirinnen des Nachts unter Rückgewinnung ihres Sehvermögens dann frei entfalten.

JEAN ROLLIN’S VAMPIRE (der deutsche Titel, sicherlich extra für den 08/15-Horror-Fan in Anlehnung an „John Carpenter’s Vampire“ gewählt, ist mal wieder ein typisches Beispiel für die kommerzielle Neukreation eines Titels, auf Kosten des viel bezeichnenderen Original-Titels) lebt in erster Linie von der grandiosen schauspielerischen Leistung seiner beiden wunderschönen Hauptdarstellerinnen. In ihren weißen Nachthemden tänzelnd über die Gräber des Friedhofs laufend, verkörpern sie den Inbegriff des weiblichen Vampirs, könnten so jedoch auch einer David Hamilton-Verfilmung entsprungen sein.

Einen besonderen Respekt muss man Isabelle Teboul und Alexandra Pic zollen, wenn sie auswendig ihre ellenlangen philosophischen Texte oftmals im Wechselspiel in ein und derselben Kameraeinstellung ohne jegliche Schnitte vortragen. Das hat schon wirklich etwas von theatralischen Gedichtvorträgen auf höchstem Niveau. Auch inhaltlich und stilistisch überzeugen die Dialoge auf weiter Linie. Wenn sie als Geschöpfe der Dunkelheit z.B. über ihre Herkunft und vermeintliche Relation zu aztekischen Göttern philosophieren, strotzen diese Passagen nur so voller Metaphern (z.B. zum Thema Blut).

Insgesamt bedient sich Jean Rollin auch bei der Umsetzung seines literarischen Stoffes (The Two Vampire Orphans ist die Verfilmung eines Teils seines fünfteiligen Zyklus über die beiden Vampirweisen Henriette und Louise) einer Vielzahl an künstlerischer Elemente und Stilmittel (die Blauunterlegung im Kontrast mit anderen, grell betonten Farben erinnert in einzelnen Szenen mitunter an die Farbexperimente Dario Argentos, z.B. in SUSPIRIA), die jedoch mitunter auf den Normalkonsumenten als Kitsch oder gar Klamauk wirken dürften. Insbesondere die Darstellung der „Geschöpfe“ der Nacht, eine Werwölfin, ein weiblicher Ghoul, allen voran aber eine Vampirkönigin im Abendkleid mit Fledermausflügeln erweckt mitunter eher Assoziationen an den „Cirque des Soleil“, als an einen Horror-Film…

Für tiefgründige Analysen dürfte der Film jedoch eine Menge Stoff liefern.

Im Gegensatz zu seinen anderen thematisch ähnlich gelagerten Streifen um weibliche Vampire, bietet Jean Rollin in diesem Werk nur ein Minimum an nackter Haut oder expliziter Gewalt. Die Szenen sexueller, homoerotischer Darstellung, wie für Filme dieses Genres ja fast obligatorisch, beschränken sich hier eher auf Anspielungen, verfehlen aber gerade durch ihren dezenten Einsatz ihre Wirkung nicht, sondern verstärken diese sogar noch. Gleiches gilt für die für einen Vampirfilm relativ blutarmen Gewaltszenen. Diese sind ebenfalls (mit Ausnahme eines Messerstichs) nur angedeutet. Da sie zudem teilweise stark theatralisch übertrieben dargestellt sind, ist der Verzicht auf explizite Gewalt seitens Rollin wohl weniger auf das geringe Budget zurückzuführen, sondern liegt wohl eher daran, dass der Regisseur das Hauptaugenmerk auf den erzählerischen und dramatischen Part der Geschichte selbst lenken möchte.

Leider krankt die Umsetzung der wenigen Effekt-Szenen dann allerdings an dem wohl sehr eng bemessenen Budget, sodass das Ganze in manchen Szenen schlichtweg billig wirkt. Die ohnehin spärlich in Szene gesetzten Effekte sind wirklich unterstes Amateur-Niveau. Da bewegt sich der „tote“ Hund mit aufgeklebter Bisswunde, für die Herrichtung einer „verwesten Leiche“ diente anscheinend eine schwarz angemalte Schaufensterpuppe mit angeklebten Haaren und Zähnen… Da diese jedoch ohnehin eher als schnödes, unvermeidbares Beiwerk anzusehen sind, lässt sich über diese Mängel jedoch leicht drüber hinwegsehen.

Jean Rollin hat allerdings mit der Auswahl seiner Schauplätze auch diesmal wieder ein glückliches Händchen bewiesen. So hat er für die Dreharbeiten u.a. einen in Frankreich real existierenden, imposanten Friedhof mit majestätischen Grabmalen und Statuen aufgetan, der jedoch leider im Film sehr kurz und auch nur ausschnittsweise zu sehen ist.

Erschreckend allerdings der Kurz-Auftritt von Brigitte Lahaie. Frankreichs Porno-Actrice der 70er Jahre scheint in die Jahre gekommen zu sein und sieht trotz Make-Up derart verlebt aus, dass man den Glanz ihrer frühen Tage nur schwerlich erahnen kann.

Insgesamt gesehen ein ziemlich zwiespältiges Teil: Fans von herkömmlichen Horror-Filmen werden sicherlich sehr schnell abschalten, Freunde des etwas künstlerischen und lyrischen Horrors dürften begeistert sein.

Für Rollin-Fans ist der Film ohnehin Pflichtstoff!!! 😉

Bewertung

SplatterJean Rollins Vampire
SpannungJean Rollins Vampire
StoryJean Rollins Vampire
EkelfaktorJean Rollins Vampire
AtmosphäreJean Rollins Vampire
GesamtJean Rollins Vampire

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